Die im 11. und 12. Jahrhundert erstmals erwähnte Stadt Görlitz, welche im Ergebnis der Befreiung vom mörderischen Hitlerfaschismus am 08.05.1945 und der darauf beruhenden Ergebnisse der Potsdamer Konferenz vom 17.07. bis 02.08.1945 nun eine deutsch-polnische Doppelstadt Görlitz und Zgorzelec darstellt, ist u.a. sehr stark von der Lausitzer Neiße und ihrer Aue geprägt. Der Fluss, welcher mit Längen zwischen 252 und 254 km angegeben ist, entspringt mit seinen Quellflüssen Wiesentaler Neiße, Weiße Neiße, Schwarze Neiße und Gablonzer Neiße im Isergebirge in Tschechien und mündet bei Ratzdorf/Kosarzyn in die 854 km lange Oder. Nach der 808 km langen Warthe, welche auf polnischer Seite einmündet, ist die Lausitzer Neiße der zweitlängste Nebenfluss der Oder. Ihr Einzugsgebiet beträgt insgesamt 4.460 km², wovon das deutsche Einzugsgebiet der Lausitzer Neiße 1.411 km² umfasst und die Gewässerlänge in Sachsen 74,2 km sowie in Brandenburg 74,6 km beträgt. Die Flusslänge in Tschechien beläuft sich auf 55,1km und das dortige Wassereinzugsgebiet 375,3km².
Das Dokument „Hydrologische und ökologische Untersuchungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-WRRL unter Berücksichtigung des Braunkohlenbergbau-Rehabilitationsgebietes im sächsischen Einzugsgebiet der Lausitzer Neiße“ enthält folgende sehr wichtige Charakterisierung des Flusses und seiner Aue, Zitat:

„Die ökologische Durchgängigkeit der Lausitzer Neiße und ihrer Nebengewässer ist in Folge vielfältiger Nutzungen, z.B. durch Wasserkraftanlagen für die Stromerzeugung, stark eingeschränkt. Trotzdem besitzen die Gewässer ein hohes ökologisches Potenzial. Das Neißetal wird durch Mäander und Terrassenstufen geprägt. Hier befinden sich zahlreiche zum Teil verlandete Altgewässer mit naturnahen Resten der Weich- und Hartholzaue, Feucht- und Nasswiesen sowie Sand- und Schotterbänke. Im Unterlauf bestimmen Flachlandauen das Landschaftsbild.“, Zitat Ende

Weiter führt das Dokument zur Hydrologie sowie den Ein- und Auswirkungen des Bergbaus folgendes aus, Zitat:

„Die Auswirkungen der Grundwasserabsenkungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Braunkohlenbergbau der Tagebaue Nochten und Reichwalde verursachen mengenmäßige Grundwasserdefizite, welche das Neiße-Einzugsgebiet beeinträchtigen. Außerdem bestehen Auswirkungen auf die Durchflussmenge durch die Entnahme von Wasser im Zusammenhang mit der Flutung ehemaliger Braunkohletagebaue….
Einleitungen und Entnahmen in bzw. aus der Lausitzer Neiße haben Bedeutung für die Wasser- und Stoffbilanz des Vorfluters….Hinzu kommen Wasserentnahmen durch die Wasserwerke Leuba, Görlitz, Forst und Guben, die Agrarentnahmen Rothenburg und Brandenburg sowie industrielle Nutzer in Guben. Einleitungen werden durch die Kläranlagen Hirschfelde, Görlitz, Rothenburg und Bad Muskau realisiert…

In der Perspektive werden diese Nutzungsinteressen weiter zunehmen, da u. a. erhebliche Wasserentnahmen zur Flutung von Restseen im Einzugsgebiet und darüber hinaus die Leistungsfähigkeit des Gewässers determinieren werden. Gleichzeitig besteht das Erfordernis an der Lausitzer Neiße die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) fortzusetzen und die durch die EU vorgegebenen Fristen einzuhalten. Dies hat zur Folge, dass nach derzeitigem Erhebungszustand der Großteil der Wasserkörper der Lausitzer Neiße nicht den „guten Zustand“ erreichen wird. Da die ökologische Durchgängigkeit der Lausitzer Neiße und ihrer Nebengewässer in Folge vielfältiger Nutzungen stark eingeschränkt ist, ergibt sich fast durchweg eine hohe Gefährdung für die Fischfauna. Trotzdem besitzen die Gewässer ein hohes ökologisches Potenzial.“, Zitat Ende.

Naturschutzfachlich gibt man folgende sehr wichtige Einschätzungen ab, Zitat:

„Wertgebende Merkmale des Einzugsgebietes Lausitzer Neiße aus naturschutzfachlicher Sicht sind Vorkommen von fließgewässerabhängigen §26-Biotoptypen, Vorkommen von Biotoptypen der „Rote Liste Biotoptypen Sachsen“, Vorkommen mehrerer gefährdeter Fischarten sowie Hinweise auf weitere gefährdete Arten. Auch ist das „Neißegebiet“ als FFH-Gebiet gemeldet (EU-Nr. DE4454-302), erstreckt sich bei einer Größe von 2450 ha von Zittau bis Bad Muskau und von den 14 FFH-Lebensraumtypen (darunter drei prioritäre) sind die Hälfte grundwasserabhängige Lebensraumtypen. Unter den acht Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie dieses FFH-Gebiets sind als typische Fließgewässerarten die Grüne Keiljungfer, Biber und Fischotter und die Fischart Schlammpeitzger zu nennen.“, Zitat Ende

Im Rahmen einer ganztägigen Fahrradexkursion nahmen Mitglieder und Freunde des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) am 18.05.2016 große Teile des ca. 15,5 km langen Verlaufs der Lausitzer Neiße zwischen den beiden Städten Görlitz und Zgorzelec in Augenschein. Besonders auffällig war im ersten Eindruck, dass die Lausitzer Neiße naturnahere und naturfernere Verläufe zwischen beiden Stadtgebieten aufzuweisen hat. Im Bereich des 35 Meter hohen und 475 Meter weiten, in den Jahren zwischen 1844 und 1847 errichteten, am 07.05.1945 gesprengten und am 22.05.1957 wiedereröffneten Neiße-Viadukts, lassen sich sehr naturnahere Gewässerabschnitte erkennen. Sie zeichnen sich außerhalb des Viaduktes durch unverbaute Ufer- und Sohlbereiche sowie einer ausgeprägten Entwicklung einer aus Weidenarten bestehenden Weichholzaue und einer sich entwickelnden Hartholzaue aus Stieleiche, Gemeiner Esche sowie Feldulme aus. Die Krautflora bestehend z.B. aus Großer Brennnessel, Weißer Taubnessel, Roter Lichtnelke und Waldvergissmeinnicht runden das Bild ab. Flussabwärts lassen sich unterhalb der Altstadtbrücke wieder naturnahere Elemente erkennen, welche sich im weiteren Verlauf deutlich erkennen lassen.

Jedoch wirken Barrieren wie das Steinkastenwehr an der Obermühle in Görlitz grundsätzlich entwicklungshemmend für die Durchlässigkeit des Flusses, seiner morphologischen Entwicklungsmöglichkeiten sowie im Stauraum einer mit höherer Fließgeschwindigkeit verbundenen Aufnahme von Sauerstoff. Nach Auffassung des AHA gilt es hier in Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und in Würdigung der Gewinnung von Elektroenergie wissenschaftliche Möglichkeiten zu erarbeiten, um beide Erfordernisse und Bedürfnisse befriedigen zu können. Gleiches trifft für die Wasserkraftanlage zwischen Ludwigsdorf und Jedrzychowice zu.

Der Flussabschnitt zwischen den Innenstädten von Görlitz und Zgorzelec sowie Jedrzychowice bis zur Einmündung eines „namenslosen“ Fließgewässers in die Lausitzer Neiße ist von einer sukzessiven Aue mit Weichhölzern aus verschiedenen Weidenarten und Hartholzaue mit einem guten Aufwuchs von Stieleiche und Gemeiner Esche sowie Bereichen mit Wiesen, nitrophilen Hochstaudenkulturen und intensiver genutzter Ackerflächen gekennzeichnet. Den sich entwickelnden Auenwaldbestand scheint u.a. Bibern als Nahrung und zur Baustoffgewinnung zu dienen. Diese naturnahere, sukzessive Auenentwicklung gilt es daher nach Auffassung des AHA unbedingt zu schützen und zu sichern.

Auf der sächsischen Seite sind zudem in Richtung Ludwigsdorf noch deutlich zahlreiche Flussschlingen zu erkennen. Hier schlägt der AHA vor, wissenschaftlich zu untersuchen, ob die Ausstattung von Fauna und Flora sowie Hydrologie und Struktur eine Wiederanbindung an den Neißeverlauf möglich bzw. sinnvoll erscheinen lässt. Jedoch mit großer Sorge beobachteten die AHA-Exkursionsteilnehmer, die massive Ausbreitung des Staudenknöterichs. Diese Pflanzenarten verdrängen massiv die standortgerechte Flora. Nach Auffassung des AHA ist ein Einschränken und Zurückdrängen dringend geboten. Der AHA ist selbstverständlich bereit, seine diesbezüglich erlangten Erfahrungen und Erkenntnisse nutzbringend einzubringen.

Offenbar im Rahmen des Projektes „Abenteuer Neiße – touristische Bewirtschaftung der deutsch-polnischen Grenzregion – 2. Etappe – Verbesserung und Entwicklung der touristischen Infrastruktur“ erfolgte eine umfassende Asphaltierung von Fahrrad- und Wanderwegen. Was einerseits durchaus eine Verbesserung der Fahrqualitäten für das Fahrrad zur Folge hatte, bewirkte aber andrerseits weitere umfassende Flächenversiegelungen und Zerschneidungen in Landschaft und natürlicher Umwelt. Damit eng verbunden ist die Tatsache, dass derartig versiegelte Flächen, eine häufig unüberwindbare Barriere für Klein- und Kleinsttiere darstellt, welche sich bei starker Sonneneinstrahlung und damit verbundener Erhitzung des Asphalts weiter verschärft. Ferner beobachteten die AHA-Exkursionsteilnehmer eine teilweise Nutzung als Straße für Autos.
Für den AHA ergibt sich die dringende Notwendigkeit und das damit verbundene Interesse sich für den Schutz, die Entwicklung, den Erhalt und Betreuung der Lausitzer Neiße und ihrer Nebengewässer, ihrer Aue sowie angrenzender Natur- und Landschaftsbestandteile einzusetzen.

Nach Auffassung des AHA könnte eine sehr wichtige Grundlage dafür die Berücksichtigung des Dokumentes „Hydrologische und ökologische Untersuchungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-WRRL unter Berücksichtigung des Braunkohlenbergbau-Rehabilitationsgebietes im sächsischen Einzugsgebiet der Lausitzer Neiße“ bilden.

Ferner könnte sich der AHA die Bildung einer ehrenamtlichen, gemeinnützigen Regionalgruppe Görlitz und Zgorzelec vorstellen.
Wer mehr zu den Zielen und Aktivitäten des AHA sowie zu seinen Vorstellungen zur Bildung einer Regionalgruppe Görlitz und Zgorzelec erfahren möchte, kann sich an folgende Anschriften wenden:

Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – (AHA)

Große Klausstraße 11
06108 Halle (Saale)
Tel.: 0345 – 2002746
Fax.: 01805-684 308 363
E-Mail AHA: aha_halle@yahoo.de
Internet: https://www.aha-halle.de

Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – (AHA)
Regionalgruppe Leipzig und Umland

Otto-Adam-Straße 14
04157 Leipzig
Tel.: 0176-84001924 (Handytarife aus allen Netzen)
Fax.: 01805-684 308 363 (deutschlandweit zum Ortstarif)
E-Mail AHA: aha_halle@yahoo.de
Internet: https://www.aha-halle.de

Die Übersetzung des Artikels ins Polnische können sie über diesen Link downloaden: Ochrona prasowa Nysa Görlitz i Zgorzelec 19.05.2016 (PDF 0.5MB)

Fotos Andreas Liste